Es eilt, setzen wir uns.
Diesen Titel hatte ich Ende Februar für den „Kirchenboten April“ vorgesehen. In diesen Tagen bekommt dieses französische Sprichwort eine neue Schlagseite. So hatte ich es geplant:
„Es eilt, es eilt. An allen Fronten. Sie kennen das Gefühl. Gut, hatten wir nun im März Gelegenheit, innezuhalten, nachzudenken und achtsamer durchs Leben zu pilgern. Sie lachen? Sie kamen nicht dazu? Ich verstehe Sie. Tag für Tag prasseln Anforderungen und Ansprüche auf uns nieder. Wir nehmen uns Dinge vor, doch sie verhallen wie Schall und Rauch. Nun stehen Gründonnerstag, Karfreitag und Ostern vor der Tür – atemberaubende Momente! Wenn wir uns Zeit nehmen, sie zu durchleben, sie zu verinnerlichen.
Vor allem der Gründonnerstag eignet sich besonders gut. Was ist da genau passiert? Fusswaschung? Einsetzung des Abendmahls? Verrat im düster-grauen Olivenhain von Gethsemane? Alles miteinander? Es eilt, setzen wir uns. Mit den Worten Jesu: „Bleibet hier und wachet mit mir!“ (RG 294) Bleiben, wachen und beten, in unserer hektischen Zeit…
Am Karfreitag wird es noch ruhiger. Totenstill. Die Zeit steht still. Und wir fragen uns verdutzt: Wie konnte es soweit kommen? Wie kann das ein allmächtiger Gott zulassen? Warum, warum hast du uns verlassen? Wir brauchen den leeren Samstag, wir müssen uns Zeit nehmen. Auch der Ostermorgen kommt noch zu früh. Mittels Osterfeuer Morgen früh um 6 Uhr werden wir uns vertiefen in den österlichen Jubel – doch: verstehen wir es wirklich? Christus ist auferstanden! Lasst uns aufstehen! Lasst uns auferstehen! Auferstehen, um uns wieder Zeit zu nehmen. Für…
Diese Zeit rund um Ostern ist sehr dicht. Wir kommen nicht nach. Wir hinken der Zeit hinterher. Gut, haben sich unsere Konfirmandinnen und Konfirmanden in diesem Jahr dafür entschieden, sich an ihrer Konfirmation mit der „Zeit“ auseinander zu setzen…“
Soweit wird es nun nicht kommen. Auch die Konfirmation wird auf die Zeit nach den Sommerferien verschoben. Plötzlich haben wir (zwar nicht alle!) wieder Zeit. Zeit, um nachzudenken. Zeit füreinander. Zeit, zu Hause zu bleiben und zu telefonieren.
Meine Bitte: respektieren Sie die dringlichen Massnahmen des Bundes. Und es ist genau so, wie es im Sprichwort heisst: Es eilt. Niemand will, dass die Spitäler ihren Dienst nicht mehr erfüllen können. Verlangsamen wir die Ausbreitung. Es eilt. Und es gibt dafür vor allem einen Weg: Entschleunigung und Verlangsamung. Setzen wir uns. Und achten wir auf die Botschaft von Karfreitag und Ostern. Die Totenstille hat nicht das letzte Wort. Das leidenschaftliche Feuer des Ostermorgens will nach wie vor zu uns dringen. Gott hört unser Klagen. „Aus der Tiefe rufe ich, Gott, zu dir, Du, höre meine Stimme, lass deine Ohren vernehmen den Ruf meines Flehens. (Psalm 130,1) Dass Gott uns hört, immer wieder, nicht nur im Verlaufe jenes Psalms, nicht nur in der Bewegung von Karfreitag zu Ostern, das dürfen wir uns immer wieder vor Augen halten.
Dazu lädt die Zeit rund um Gründonnerstag, Karfreitag und Ostern besonders ein. Zu den gewohnten Gottesdienstzeiten wird zwar kein Gottesdienst stattfinden, aber die Kirche steht jederzeit offen, und ich werde zu diesen Zeiten für seelsorgerliche Anliegen anwesend sein. Denn: Es eilt – setzen wir uns.
Daniel Hanselmann